Ablauf im Kindergartenalltag:
Wir legen Wert auf:
Diese Tagesabläufe werden unterbrochen durch christliche und weltliche Feste, Geburtstage und Verabschiedungen, z.B. von der Praktikantin.
EIN MORGEN IM WALDORFKINDERGARTEN ...
… aus KINDERSPRECHSTUNDE von W. Goebel und M. Glöckler:
Die Kinder treffen innerhalb der ersten Stunde nach Öffnung des Kindergartens ein. Ein kleines Kind wird von Hand zu Hand direkt übergeben, die Älteren laufen ihren Müttern bereits davon, einige kommen allein oder in kleinen Gruppen schon ganz selbstbewusst zur offenen Tür herein. Nachdem sie den Mantel ausgezogen haben und in die Hausschuhe geschlüpft sind, begrüßen sie ihre Kindergärtnerin, die sie meist bei einer bestimmten Arbeit antreffen. Während die Kleinsten sich gern in ihrer Nähe aufhalten, zuschauend oder mit helfend, finden sich die Ältesten zielstrebig zum gemeinsamen Spiel zusammen. Da werden Tische und Ständer aufeinander gebaut, mit Tüchern verhängt und als Wohnung eingerichtet. Ein anderes Mal werden daraus Feuerwehr-, Müll- oder Notarztwagen, vielleicht auch ein Überseedampfer. Die vier- bis fünfjährigen Kinder holen sich gern Pferd und Kutsche oder bauen einen Zug, in dem sie Steine, Tannenzapfen und anderes transportieren. Gerne wickeln und füttern sie auch ihre Puppenkinder und tragen sie spazieren. Mit Tüchern und Schleiern verkleiden sie sich als Mutter, Krankenschwester oder Postbote. Es ist ein emsiges, vielseitiges Tun und Treiben in dieser ersten Zeit am Morgen. Die Kindergärtnerin ist dabei der ruhende Pol. Obwohl sie selbst etwas arbeitet, nimmt sie dennoch an allem Geschehen ringsum interessiert Anteil. Sie sorgt dafür, dass das Leben dieser »Großfamilie« geordnet und anregend verlaufen kann, ohne jedoch selbst eingreifen zu müssen. Aus der Vielzahl möglicher Alltagstätigkeiten wählt sie diejenigen aus, die einfach und überschaubar sind und von den Kindern gerne nachgeahmt werden: Waschen, Brot backen, Frühstück vorbereiten usw. Mitunter verlässt sie auch ihren Arbeitsplatz, um bei einer kleinen Gruppe den Puppengeburtstag mitzufeiern oder weil sie vielleicht eingeladen wird, eine Überfahrt auf dem Fährschiff mitzumachen, oder weil ein Kind ihren Zuspruch braucht.
Konfliktsituationen oder das Auftreten stereotyper Verhaltensweisen lassen sie aufmerksam werden und sich dem betreffenden Kinde zuwenden. Nähert sich das Ende der Spielzeit, so fängt die Kindergärtnerin an, ihren eigenen Arbeitsbereich aufzuräumen. Das wird von einigen Kindern bemerkt, die daraufhin anfangen, ebenfalls aufzuräumen. Bis sich auch die letzten in dieses muntere Treiben hineingefunden haben, können mitunter sieben bis zehn Minuten vergangen sein. Nachdem der Gruppenraum auch noch gefegt worden ist und die Kinder im Waschraum waren, versammeln sie sich nun zum gemeinsamen rhythmischen Spiel: Verse in Verbindung mit Bewegungsspielen, Lieder und Singspiele. Inhaltlich orientiert sich das Geschehen meist am Jahreslauf und den jeweils typischen Tätigkeiten der Bauern oder an den zugehörigen Naturereignissen. Auch die Inhalte der christlichen Jahresfeste nehmen einen breiten Raum ein und bilden Höhepunkte im Kindergartenalltag. Da über längere Zeit täglich die gleichen Singspiele und Lieder wiederholt werden, erwerben sich die Kinder dabei wie von selbst einen reichen Vers- und Liederschatz. In einigen Kindergärten geht diesem rhythmischen Spiel ein sogenannter Morgenkreis voraus, in dem gemeinsam ein Spruch oder Gebet gesprochen und ein Morgenlied gesungen wird. Im Anschluss an diese gemeinsame Tätigkeit folgt das Frühstück. Es besteht aus Brot, Müsli oder anderen Getreidegerichten; dazu Obst oder Möhren und Tee.
Nun folgt wieder eine Zeit, in der die Kinder aus eigener Initiative spielen können. Meistens geschieht dies im Garten, im Sand oder wenn möglich im Park oder auf einem kleinen Spaziergang. Zum Abschluss des Vormittages versammeln sich die Kinder noch einmal in lockerer Runde zum Märchenhören. Die Kleinen lieben und brauchen es, nahe bei der Kindergärtnerin sitzen zu dürfen. Ihr Erzählen ist nicht dramatisch-emotional, sondern sachlich, liebevoll darstellend, schlicht erzählend. Dadurch werden die oft dramatischen Szenen als Bilder aufgenommen und nicht als bedrohliche oder faszinierende Handlungen. Es ist zu spüren, wie sie jedes Wort und jeden Satz, den sie sagt, liebt. Sie erlaubt sich auch keinerlei Variationen beim Erzählen. Die Kinder würden es merken und korrigieren, da sie über längere Zeit hindurch jeden Tag dasselbe vertraute Märchen hören. Meist werden die Märchen der Brüder Grimm gewählt. In Stil, Aufbau und Inhalt eignen sie sich ganz besonders gut dazu, Phantasie und Gefühl des kindlichen Seelenlebens anzuregen und zu bereichern.
Der Tagesablauf gliedert sich also in zwei größere Zeitspannen, in denen sich die Kinder ihrem Alter entsprechend betätigen können. Dabei werden die Anregungen in Form eines reichen Angebotes an Spielmaterial sowie durch das Vorbild der Erzieherin gegeben, die sich ähnlich wie die Mutter zu Hause im Wechsel mit allen möglichen nützlichen Haushaltstätigkeiten beschäftigt. Außer Frühstück machen, Brot backen, Wäsche waschen gehören dazu auch stopfen, bügeln, Spielzeugpflege oder künstlerische Tätigkeiten wie das Malen mit Wasserfarben und anderes. Durch dieses breite Angebot wird erreicht, dass jedes Kind zu »seiner Zeit« und »auf seine Weise« für sein Nachahmungsbedürfnis das findet, was seiner Entwicklung gerade gemäß ist. Es bleibt also dem Kinde überlassen, was, wie und ob es etwas nachahmen will. Zwei kürzere Zeiten sind dann dem gemeinsamen Tun gewidmet (rhythmisches Spiel und Frühstück sowie das Märchenerzählen). Der Wechsel zwischen dem Freispiel und dem gemeinsamen Tun ist wie ein großes zweimaliges Ein- und Ausatmen.
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